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Kurze Wochen 21

Die ersten Tage auf dem Wasser im zweiten Coronajahr



22.06.2021 | © pt


Reise '21, Teil 1


Die ersten Tage auf dem Wasser im zweiten Coronajahr

14. - 21. Juni



Tatsächlich - es gibt einiges zu berichten von diesen ersten Tagen, zum Beispiel von zwei dicken, fetten Knöllchen, eines für Frau Cornelia und eines für mich, von einer Beinahe-Grundberührung im Seegatt, von einem miserablen Kartenupdate, einem neuen Bugstrahlruder, das kaum Fahrt kostet, von gutem und schlechtem Service und
... mehr tropft mir im Moment nicht aus der Rübe.

Weener, alter Hafen
Weener, alter Hafen, Abendstimmung

"Aber der Reihe nach", wie ein mir namentlich nicht erinnerlicher Reporter des Meller Kreisblattes vor vielen, vielen Jahren gerne und immer wiederkehrend in seinen Artikeln schrieb.

Am Sonntag, dem 13. Juni reisen wir nach Weener, zwei Autos bepackt mit Lebensmitteln, meinem Bruder Wim, Frau Cornelia, mir und etlichem Gepäck - Dingen, die man so braucht für runde drei Monate. Warum Wim? Ganz einfach, Frau Cornelia hatte gesagt:

"Auf Nordsee hab ich keine Lust. Da such dir man jemand anderen."

Und Wim hatte gemeint:

"Auf Nordsee hab ich wohl Lust. Habe Zeit und komm' gerne mit."

So war dann allen geholfen, zumal, und das ist wichtig, Frau Cornelia am Mittwoch ihre zweite Impfung bekommt und mich damit krass überholt. Da kommt bei mir schon so etwas wie offener Neid auf. Ich warte schließlich noch bis Mitte Juli!

Weil ich gern unordentlich schreibe eben zwischendurch:

In der letzten Woche habe ich noch eben meine Plotterkarten im Yachtservice updaten lassen weil ich zu doof dazu bin, André ist immer hilfsbereit und machte das gerne. Pro Kartensatz musste ich 117,81 Euronen berappen, genau das Geld, das Navionics dafür aufruft und hatte nach fünf Jahren vermeintlich neue, jungfräuliche Karten.

Die Freude über die neuen elektrischen Karten hielt genau so lange, bis ich sie in die Kartenschächte meines Plotters schob - nur jeweils ein Satz wurde angezeigt - der zweite ignoriert. Was ich auch unternahm, es änderte nichts. Die alten Karten hatte ich problemlos beide parallel fahren können.

Außerdem, und das war auch nicht schön, wurden verschiedene Seegebiete nicht dargestellt, Gebiete, die bislang immer zur Verfügung standen. Andere waren da. Obwohl ich sie gar nicht haben wollte, zum Beispiel Südspanien, Tanger und so dies und das im tiefen Süden. Ich rief laut um Hilfe - telefonisch bei André. Keine Stunde später war er da. Butterte mindestens eine weitere Stunde in die Karten. Vergeblich. Telefonierte mit einem befreundeten Händler. Ebenso vergeblich. Zusätzlich, ich vergaß, wurden in den Updats keine Tiefenangaben dargestellt - ein Feature, dass man eigentlich gerne hat auf Karten, die der Navigation dienen sollen. Ich erinnere mich genau: Früher gab es Tiefenangaben auf meinem Plotter. In Hülle und Fülle.

Auf der Navionicsseite fand ich lediglich eine Chatmöglichkeit zur Lösung von Problemen, eine Telefonnummer boten sie nicht an. Wie es scheint, ängstigt manch hochmoderne Firma der direkte und sprechende Kontakt mit ihren Kunden, ich kann das nicht nachvollziehen - aber bitte, dann eben chatten.

Die schreibende Kommunikation war ebenso unpersönlich wie wenig zielführend. Meine Probleme konnten nicht im Ansatz gelöst werden. Immerhin rückte mein Chatpartner, meine Chatpartnerin zum guten Schluss eine Email-Adresse heraus: Dort bitte möge ich meine Sorgen erneut schildern. Hoffnung aber könne man mir nicht machen.

Und bitte, wie sei denn das Chatterlebnis gewesen? Gut? Sehr gut? Die Zufriedenheit der Kunden läge ihnen bei Navionics doch sehr am Herzen!

Das eben Geschilderte spielte sich am Freitag Nachmittag vor unserer Abfahrt ab. Am Samstag schickte ich eine Mail, beschrieb die Mängel des Updates und bat um Lösungsvorschläge. Einige wenige Worte verlor ich auch zum, aus meiner sicher wenig zeitgemäßen Sicht, mangelhaften Servicestil des Hauses.

Soviel dazu - vorläufig. Mit unseren zwei Autos kommen wir am frühen Sonntagnachmittag an in Weener, laden aus, stauen Lebensmittel, hängen Klamotten auf, machen also was getan werden muss bevor es losgeht. Conny reist am späten Nachmittag zurück nach Melle.

"Adieu bis in Cuxhaven. Und Handbreit."

"Jau, tschüß - soll wohl."


14. Juni 2021

Tatsächlich kommt am Tag unserer Abfahrt, dem Montag früh quasi vor dem Wecken, eine Email von Federica mit einigen Vorschlägen. Sie sei "Produkt Support Spezialistin" bei Navionics. Der Titel ringt Achtung ab, klingt nach richtig was. Am Abend werde ich schauen ob sie hilfreich sind, die Vorschläge der Spezialistin.

Wir sind recht früh auf an diesem 14. Juni, es ist noch einiges zu erledigen nach unserem gemütlichen Frühstück: ein Coronatest muss her für jeden von uns, so sagt es die Vorschrift in Niedersachsen. Wer irgendwo mit einem Boot einläuft und auch noch übernachten will, benötigt einen Coronatest, negativ sollte er sein und nicht älter als 24 Stunden. Wir wollen auf Borkum übernachten.

Nach nicht gerade wenigen Telefonaten finden wir eine Teststation, körperlich suchen müssen wir nach ihr eine ganze Weile, zumindest für mich alten Menschen ist die Wegbeschreibung nicht völlig deutlich. Das aber, muss ich zugeben, ist mehr ein Problem der Hausnummernvergabe in Weener: vier Gebäude mit unterschiedlichen Zugängen verfügen über die gleiche Hausnummer.

Außerdem soll eine Kiste Bier beschafft werden für Andé, als kleines Dankeschön für seine Hilfe bei den Karten. Meine schöne alte Audilimousine muss sicher geparkt werden, nicht das sie noch jemand stiehlt, nach beinahe dreißig Jahren. Und tanken müssen wir auch, ich fahr so ungern mit halbleeren Dieseltanks.

Schleuse Weener
Das Tor zur Welt geht auf

Eine Stunde vor Hochwasser Weener liegen wir in der Schleuse, alles ist erledigt, nur der Diesel muss noch bezahlt werden, 152 Litter genau, für 1,35 pro Liter. Das ist verdammt nicht teuer wenn man es vergleicht mit dem, was sonst so aufgerufen wird an Preisen. Hafenmeister Heiner läßt sein Kartenzahlgerät im Holzschuh herunter, ich schiebe meine Kreditkarte rein und tippe mit Mühe die Geheimzahl ein, zwei, drei, und so weiter. Har, har, komplett werd' ich sie nicht verraten.

Aber mein virtuelles Geld will die Zahlmaschine nicht: Vorgang verweigert!

Wim könne zahlen, bietet er an. Mit seiner normalen Bankkarte. Die würde das Terminal doch sicher akzeptieren.

"Wird wohl", grummelt Heiner.

Nur die Karte. Wo bloß ist die Karte, verdammte Scheiße? Wim kann sie nicht finden, beim besten Willen nicht. Ihm fehlt seine ganze Geldbörse mit allem Inhalt.

"Du, mein Portemonnaie muss ich bei dir im Auto vergessen haben. MIt der Karte." Bester Laune scheint er nicht in diesem Moment, der Wim.

Heiner macht die Schleusentore auf und ruft bei André an, wegen der Autoschlüssel, sie liegen bei ihm im Yachtservice. Wir laufen raus, legen uns an den Ponton vor der Schleuse, Wim stürzt los über den Deich. Nach wenigen MInuten ist er zurück. Ohne Geldbörse. Ohne Karte.

Es ging so schnell mit dem Zurückkommen weil André ihm mit dem Audi entgegekam - so isser, der André.

Nee, das Portemonnaie sei nicht im Wagen, man, man man. Er ginge unten im Salon noch mal suchen und im Vorschiff auch - ganz in Ruhe, ohne jede Hektik. Zwei Minuten später tönt es hoch:

"Habs. Lag hinter dem Korb. Bei der Anlage. Weißt schon."

Die Worte sind kaum verhallt, da springt er aus dem Schiff, rennt Richtung Schleusenwärterhaus. Wenige Momente später legen wir ab. Bisschen spät jetzt, aber wird schon noch passen. Vielleicht müssen wir die letzte Meile gegenan nach Borkum.

Wir haben Riesenglück, Leer-Bridge öffnet sofort, wir können durch ohne aufzustoppen. Danach fang ich an, ein wenig zu rechnen. Hätt' ich auch früher machen können. Für die 45 Meilen bis Borkum werden wir gut sechs Stunden brauchen, gegen halb zehn werden wir eintreffen im Burkanahafen.

Der Rest ist nicht so dolle. Wenn es in der Elbe gut mitlaufen soll, müssen wir gegen eins, spätestens um zwei Uhr weiter. Oder morgen Nacht um Zwei, Drei. Beides paßt mir überhaupt nicht. So früh weg find ich Käse. Besser sieht es aus, wenn wir morgen nur nach Norderney gehen. Dann reicht es um halb neun morgen früh. Von Norderney ginge es dann weiter morgens gegen acht.

Ich trage Wim meine Überlegungen vor. Die Alternative Norderney gefällt ihm. Wann wir denn dann morgen ankämen auf Norderney?

"So gegen zwei, drei Uhr", antworte ich.

"So früh schon? O, prima, dann können wir ja vielleicht noch in die Stadt laufen."

Emssperrwerk
Passage des Emssperrwerks

Noch vor dem Emssperrwerk richten wir die Radarantenne aus, das geht am besten während der Fahrt, zwei Mal hin, drei Mal her, noch einen Tuck- und paßt.

Ab der Knock wird es ruppig, wir haben gute 20 Knoten Wind von vorn, Wind gegen Strom, die See ist kurz, das Deck bekommt das erste Salz in diesem Jahr. Hinter Eemshaven wird es besser, es ist wie fast immer. Um 21:20 machen wir die Leinen fest auf Borkum - es ist wirklich gut gelaufen, der aufgearbeitete Propeller hat sich bewährt. Er läuft wie eine Uhr. Im letzten Jahr zeigte sich ab 2.000 Umdrehungen eine leichte Unwucht. Hat er gut gemacht, der André.

Ems bei Eemshaven
bei Eemshaven

Das Hafenbüro ist natürlich zu, Liegegeld werden wir nicht los. Unseren Coronatest will keine Sau sehen, sparen können hätten wir uns den. Zum Abendbrot gibt es Asia-Nudeln vom Schiffsausrüster. Mit Spiegelei, dunkel angebratenen Zwiebeln und Sojasoße.

Nach dem Essen schaut Wim nach den Karten, setzt die Vorschläge von Federica um. Er kann das deutlich besser als ich. Und zum Teil hilft es sogar. Nach seinen Operationen stellt der Plotter beide Kartensätze dar. Die Wassertiefen fehlen nach wie vor. Auch die Seegebiete passen noch immer nicht. Einiges fehlt nach wie vor, Anderes ist da, obwohl wir es nicht brauchen können und auch nicht bezahlt haben. Irgendwie gefällt mir das nicht - Scheiß-Update. Hätte ich bloß alles gelassen wie es war.

Da werden wir wohl noch am Ball bleiben müssen - aber nicht mehr heute. Für die Navigation haben wir ja den Schiffsrechner mit Tochteranzeige in der Plicht. Auf ihm läuft mein gutes altes Fugawi-Programm mit schicken grafikbasierten Karten. Also kein echtes Problem.


15. Juni 2021

Wecken ist um 08:00 Uhr, die Leinen werfen wir tatsächlich ein halbe Stunde später los, es gibt nur einen schnellen Kaffee und Katzenwäsche. Frühstücken werden wir unterwegs, Seefrühstück heißt das bei uns. Mit noch ablaufendem Wasser machen wir den Rest der Ems westlich an Borkum vorbei und gehen dann über die Geldsackplate. Wir schwenken langsam nach Osten, ich rufe den Verein auf Borkum an und beichte, dass wir die Zeche geprellt haben, im Herbst aber kämen wir nochmal durch. Wir würden dann bezahlen.

Das versöhnt die Dame am anderen Ende, anfangs war sie ungehalten, es lägen doch Briefumschläge aus, in die wir das Liegegeld hätten stecken können.

Wir hatten keine gefunden, ehrlich.

Danach schreib' ich eine Mail an Federica von Navionics und berichte von unseren Misserfolgen. Sie antwortet prompt, es täte ihr leid, sie wolle alles tun um zu helfen. Sie bietet eine Teamviewer-Sitzung auf meinem Rechner an. Damit will sie für funktionierende Karten sorgen.

Ich sei dafür, antworte ich ihr, unbedingt. Aber erst wenn wir in Cuxhaven liegen. Dann sei Zeit, dann könnten wir das machen. Ich würde mich melden.

Nordsee
leichte Brise

Der Wind ist mild und kommt von achtern aus West. Wir laufen unter Maschine. Sie macht die Sache gut. Um 15:35 haben wir einen anständigen Liegeplatz auf Norderney. Durchs Seegat sind wir via Schluchter-Fahrwasser mit dem letzten Rest der auflaufendem Tide. Wir machen uns einen Kaffee und essen ein paar Küchlein. Die Welt ist in Ordnung, das Wetter sonnig, wir planen unseren Gang in die Stadt.

Der Coronatest, der aus Weener, ist natürlich nicht mehr gültig. Ein neuer auf Norderney wird uns nach kurzer Diskussion vom netten Hafenmeister geschenkt:

"Ihr geht ja morgen früh gleich weiter."

Wims Telefon klingelt. Irgendein Problem mit einer Steuerung. Die Produktion läuft nicht rund. Es ist klar, dass er sich kümmert. Trotz Urlaub. Über meinen Laptop wählt er sich in der Firma ein und macht Dinge, Dinge, die ich nicht verstehe und die auch nicht wichtig sind für mich. Parallel telefoniert er, fragt Details ab und klopft nebenbei auf die Tasten.

Mich macht das schläfrig, ich leg mich auf die Saloncouch und schlummere weg, die Nacht war nicht zu lang. Als ich nach zwei Stunden aufwache, telefoniert er noch immer, qählt er noch immer die Rechnertasten. Eine halbe Stunde später ist er durch, die Wanderung nach Norderney-Stadt bleibt mir erspart. Ich bin nicht böse drum.

Essen zu gehen brauchen wir auch nicht mehr, es gibt Brötchen mit allerlei und hinterher Rote Grütze mit einem Schlag Sahne und Zimt, natürlich vom Schiffsausrüster.

Ich schau noch nach den Wassertiefen bei Niedrigwasser im Schluchter- und Dovetieffahrwasser. Die neuesten Lotungen, die ich finden kann, stammen aus Juni und geben für Schluchter 2,50 Meter bei Niedrigwasser an, für das Dovetief nur 2,20. Okay, dann gehen wir morgen wieder durch Schluchter, ist weiter, klingt aber sicherer. Rund eine Stunde vor Niedrigwasser werden wir morgen über das Flach gehen damit es dann später in der Elbe passt.

Ein Bierchen noch und in die Koje.


16. Juni 2021

Tatsächlich schaffen wir es pünklich um acht aus der Box. Das Wasser schiebt ordentlich, in Nullkommanichts stehen wir vor dem Flach.

Seekarte Norderney
die Fahrwasser Dovetief und Schluchter

Und dann geht mir der Arsch auf Grundeis. 2,20 Meter, 2,00, 1,90, 1,90, kurz springt das Echolot auf 1,70. Mir läuft das Wasser literweise kalt den Rücken runter. Wie kann das sein? Ich hab doch richtig gelesen! Die Lotungen waren ganz frisch. Oder? Wir sind exakt im Tonnenstrich. Sind wir? Ja, sind wir. Exakt!

Die Fahrt hatten wir schon bei 2,50 Wassertiefe so gut es ging aus dem Schiff genommen, schließlich hat die Kohinoor einen Tiefgang von zwei Metern. Und dann plötzlich zeigt sich das Lot gnädig: 2,00 Meter, 2,50, 3,50.

Oh mein Gott. Was für ein Glück, das hat ja noch mal gutgegangen. Nur ganz langsam weicht mir der Schreck aus den Gliedern. Was da los war, hab ich nicht verstanden. Bei 1,70 hätte es längst rumpeln müssen. Mit Folgen, die ich mir nicht vorstellen möchte. Zum Glück ist die See ruhig gewesen. Am heftigen Ebbstrom aber ändern tut das nichts. Egal, Schwein gehabt.

Danke Schutzengel!

Wir schwenken ein nach Osten, ich geh runter - Frühstück machen. Wind ist schwach aus West. Die Genua zieht ein bisschen mit. Den Rest macht die Maschine. Das Frühstück schmeckt dann schon wieder.

Bevor ich wieder nahe Niedrigwasser durch eines der beiden Norderneyer Gatten gehe, frag ich die Seenotretter, die werden um die aktuellen Umstände am besten Bescheid wissen.

Ein Entschluss, der beim Frühstücksei reift.

Wim telefoniert noch ein paar Mal. Es läuft noch nicht so, wie er es gerne hätte. Den Tag Urlaub in Cuxhaven müssen wir streichen. Er würde gern morgen Mittag nach Hause fahren, er müsse die Sache mit der Steuerung endgültig in Ordnung bringen. Urlaub hin oder her.

Ich verstehe das. Wir rufen bei Frau Cornelia an. Wie es aussehe? Ob sie morgen gegen Mittag in Cuxi sein könnte?

Sie könne, sagt sie. Sie sei auch froh wenn es jetzt endlich losginge.

"Bis morgen Mittag. Und gute Fahrt noch."

Von unserem Beinaheschrapper erzählen wir nichts am Telefon. Hätte auch gar nicht gepasst.

Ankerlieger
große Pötte auf Reede

Wir queren gemütlich die Jade, eigentlich das Wangerooger Fahrwasser, dann die Neue Weser. Es ist nichts los, kaum Schiffsverkehr. Auf der Reede allerdings liegen recht viele Pötte. Ich leg mich ein bisschen hin, mache einen kleinen Mittagsschlaf. So wie alte Leute das gern machen. Die sanfte See wiegt mich ins Traumland. Nicht für allzulange. Vor Elbe 1 bin ich wieder oben. Frisch und ausgeruht.

Irgendwann fragt Wim ob wir nicht das Vorluk etwas öffnen könnten, es ginge kein Lüftchen unten. Segeln können wir schon lange nicht mehr. Also, was spricht schon dagegen? Außer, dass man das nicht tut - eigentlich.

Frachter
Containerriese auf der Außenelbe mit sehr ordentlicher Hecksee

Wie gesagt, Verkehr ist kaum, auch auf der Elbe nicht - ich kenn' das anders. Einige Pötte aber gibt es schon, unter anderem einen dicken chinesischen Containerfrachter. Die Hecksee ist ordentlich, ich steuere sie ganz passabel aus. Nicht viel später drückt die Blase, eben runter zur Toilette. Der Boden vor dem Klo ist naß. Ich schau ins Vorschiff. Es schwimmt. Fußboden, Bettdecke, Matratze - alles triefnaß. Aber richtig!

Tja Käpt'n, das kommt von Doofheit. Du hättest es wissen müssen. Plicht und Teile des Decks ähneln kurz später einem unaufgeräumten Dänischen Bettenlager.

nasse Bettwäsche
Wasserschaden

Bis Cuxhaven, wir kommen dort um kurz vor sieben, ist einiges wieder recht trocken, Wim wird im Vorschiff übernachten können. Und eine gewisse Grundfeuchte ist ja gar nicht schlecht für's Schlaferlebnis. Wie wir Frau Cornelia die Geschichte verkaufen, wissen wir noch nicht wirklich. Gut muss es klingen, vielleicht nach einem unabweisbaren Schicksalsschlag. Irgendwie so.

Kugelbake
Kugelbake

Kein Mensch fragt nach einem Test, okay wir haben auch keinen. Essen gehen wir in der Seglermesse. Das Essen ist gewöhnlich ordentlich und reichlich. Heute nicht. Die Kapitänsplatte eher ein Plättchen, geschmacklich: geht so, so gerade.

Meine Einschätzung teile ich der Bedienung mit. Sie würde es weitergeben, sagt sie. Das war's dann aber auch schon. Über die Gründe der drastischen Portions- und Geschmacksreduzierungen im Vergleich zu früheren Jahren läßt man uns im Unklaren.

Früher war es immer gut und reichlich. Ich ging dort gerne essen - schon des kurzen Weges wegen.

Noch ein wenig klönen auf dem Schiff - dann ist Bettzeit.


17. Juni 2021, Hafentag Cuxhaven

Nach dem Frühstück bereite ich eine TeamViewer-Sitzung mit Federica von Navionics vor, schicke ihr eine Mail mit den Zugangsdaten für meinen Laptop. Wenige Minuten später geht es los. Sie löscht Dateien auf meinen SD-Karten, schiebt welche rüber, fragt das eine oder andere via Chat. Kurz, sie gibt sich richtig Mühe. Irgendwann heißt es: Fertig.  Nun muß das laufen. Bitte ausprobieren und bei Bedarf wieder melden.

Die Karten sind jetzt vollständig, zeigt der Plotter an, mehr noch, die, die nicht zur Kartenserie gehören, sind immer noch zu sehen. Ich werde sie nie brauchen, insofern entsteht für Navionics kein Schaden. Also egal. Darüber brauchen wir nicht zu sprechen. Wohl aber darüber, dass die Tiefenlinien noch immer fehlen. Ebenso die metrischen Tiefenangaben. Das finde ich nicht schön. Ich möchte gern wissen, wie tief das Wasser ist, in dem ich mich bewege. Auch deshalb hatte ich das Update veranlaßt. Bootskollegen werden das vermutlich nachvollziehen können.

Also wieder eine Mail: Prima Arbeit, aber, mit den Wassertiefen, das funktioniert noch immer nicht. Was bitte ist zu tun, frage ich.

Am sehr späten Mittag trifft Frau Cornelia ein. Sie mußte runter von der Autobahn, sie war gesperrt. Und auf der Landstraße, da lief es nicht so. Es täte ihr leid. Ob sie jetzt erstmal einen Kaffee haben könnte?

Natürlich kann sie. Während der Geschichte mit dem Wasser im Vorschiff rümpft sie die Nase. Unser Vortrag zu dem Thema war wohl nicht gänzlich gelungen. Danach räumen wir das Auto aus und Wim reist in die Heimat um Probleme zu lösen.

Die Antwort von Federica trifft ein: Sie wisse keinen Rat mehr. Das Problem müsse bei meinen alten SD-Karten liegen. Ich möge mir bitte in einem von Navionics zertifizierten Geschäft Update-Karten kaufen, dort bekäme ich sie auf neuen SD's. Dann müsse das Problem gelöst sein. Da sei sie ganz sicher. Zu 100 Prozent. Selbstverständlich würde Navionics die bisherigen Kosten erstatten.

Ich empfinde das als ärgerlich, aber auch fair, und schreibe ihr, dass wir es genau so machen wollen. Und besten Dank für die Bemühungen, schließe ich mein Schreiben.

Beinahe zeitgleich kommt eine Mail aus der Heimat an. Der Inhalt: Zwei eingescannte Dokumente. Das Erste geht an mich, das Zweite an Frau Cornelia.

In meinem Dokument steht unmissverständlich geschrieben, dass ich nach Einschätzung der Behörde zweier abscheulicher Verbrechen schuldig sei. Mit dem vorliegenden Schreiben wolle man mir Gelegenheit geben, mich zu den Tatvorwürfen zu aüßern.

Erstens: Ich sei bei Autobahnkilometer soundso fotographiert worden als ich ein Telefonat mit einem Handytelefon führte. Die sei streng verboten und müsse hart geahndet werden.

Zweitens: Im gleichen Moment sei ich mit sage und schreibe 127 km/h unterwegs gewesen. Erlaubt gewesen seien nur 100. Mir müsse klar sein, dass dieses verkehrsgefährdende Verhalten ebenfalls unter keinen Umständen toleriert werden könne. Wie bitte ich mich zu den Vorwürfen stellen würde. Im Grunde aber gebe es für mich nur eine Möglichkeit, nämlich die schrecklichen Vergehen einzugestehen. Beweisfotos habe man zu meiner gefälligen Bedienung und zum Ersticken jeden Widerspruchs gleich beigefügt.

Der Vorwurf gegen Frau Cornelia ist milder. Sie sei überführt mit 21 km/h zu schnell unterwegs gewesen zu sein. Zum gleichen Zeitpunkt wie ich. Auch ihr Verhalten sei in hohem Maße verwerflich. Als Beleg sei auch hier ein Bild mitgeliefert. Bittesehr!

Tatsache ist, dass wir beide am fraglichen Tag mit je einem Kraftfahrzeug unterwegs waren. Meines etwas PS-stärker als das von Frau Cornelia. Tatsache ist auch, dass wir wohl zu schnell fuhren. Im Angesicht der in etwa 100 Meter entfernten Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung beschleunigten wir beide wohl etwas zu heftig und zu früh. Dies sei zugestanden!

Unanständig allerdings ist aus meiner Sicht, so kurz vor dem Schild mit dem schrägen schwarzen Strich eine Radarfalle aufzubauen. Das tun nur gewissenlose Wegelagerer. Ich wette: Nicht nur wir haben Post erhalten vom zuständigen Kreis Steinfurt. Der Kämmerer der Gemeinde wird sich im Nachgang so manche Flasche Sekt aufgezogen haben.

Richtig ist aber auch: wir waren nach den Regeln der Straßenverkehrsordnung wohl zu schnell. Insofern werden wir blechen müssen. Nicht aber für's Telefonieren. Weil ich nämlich gar nicht telefoniert habe. Sondern geraucht. Im Auto. Sicher, das ist auch verwerflich, aber noch nicht verboten.

Blitzerfoto
auf diesem Foto basiert der Vorwurf der Handynutzung

Wie man, wenn man dann seine zweifelhafte Arbeit als Erfüllungsgehilfe von Wegelagerern ernst nimmt, eine Zigarette mit einem Handy verwechseln kann, ist mir bei Betrachtung des mir zugesandten Fotos nicht klar. Es ist unscharf, aber trotzdem genügend deutlich. Nichts darauf deutet auf auf ein Handy hin. Meine Sicht der Dinge schildere ich in einer freundlichen Email an die zuständige Behörde in Steinfurt. Und ärgern tu ich mich tierisch. Über mich! Früher roch ich Radarfallen. Heutzutage habe ich da wohl Defizite.

Scholle
sehr lecker und kaum zu schaffen. Teller und Scholle sind riesig

Genug davon, wir gehen zum Essen ins "Hus op'n Diek". Dort werden wir in keiner Weise enttäuscht, es ist erstens reichlich und zweitens sehr gut. Der Service ist aufmerksam und freundlich. Ein von mir in den Bratkartoffeln gefundenes längeres Haar wird sehr ernst genommen. Man entschuldigt sich in aller Form und bietet Kompensation an, die wir dankend ablehnen. Es ist ja nun wirklich nichts passiert und ich habe kein Problem mit Haaren. Zuviele pro Mahlzeit sollten es allerdings nicht sein.


18. Juni 2021

Eben tanken an der Automatentankstelle im Yachthafen. Ich habe doch immer so Angst vor leeren Tanks. Tatsächlich ist der Steuerbordtank zu zwei Dritteln leer. Ignorante Optimisten würden ihn als zu einem Drittel voll bezeichnen.

Mit auflaufend Wasser geht es nach Brunsbüttel. Wir bekommen eine schnelle Schleusung, liegen um 18:15 Uhr im kleinen süßen Yachthafen neben den Schleusen und sind somit in Schleswig-Holstein. Keine Coronatests mehr, die keiner sehen will.

Der Hafen ist so gut wie leer. Rechter Hand gibt es für uns einen Liegeplatz mit Stromanschluss. In normalen Jahren ist das um diese Zeit undenkbar.

Essen gibt es im Torhaus in anständiger Qualität.


19. Juni 2021

Kanalfahrt nach Rendsburg. Meine Vermutung, dass das neue Bugstrahlruder so gut wie keine Fahrt kostet, wird auf dem NOK deutlich untermauert. Wir laufen exakt so schnell wie auch in den Vorjahren, bei 2.000 U/min macht Kohinoor noch immer gut sechs Knoten. Perfekt! Noch besser als ich vermutet habe. Sonst keine besonderen Vorkommnisse.

In den letzten Jahren liegen wir immer bei der riesig netten Dame von der Eider-Marina. Mehr sei hier nicht verraten - es gibt nur ganz wenige Gastlieplätze dort.


20. - 21. Juni 2021 Hafentage Rendsburg

In Rendsburg wird der Steuermann regelmäßig für den Rest des Jahres frisch eingekleidet. Das passiert ausschließlich bei Sievers. Das Personal ist freundlich und höchst kompetent. Da macht selbst mir das Klamotteneinkaufen Freude.

Am Vormittag des 21. trifft ein elektrischer Brief aus Steinfurt ein. Eine Dame, die hier namentlich nicht erwähnt werden soll, schreibt nicht unfreundlich, dass sie sich meiner Sicht der Dinge anschließen könne, der Vorwurf der Handynutzung sei zurückgenommen worden. Was den restlichen Tatbestand angehe, habe man einen Bußgeldbescheid erlassen. Schönen Tag noch.

Eine kleine Fahrradtour führt uns unter anderem zur Rendsburger Hochbrücke, einem imposanten Baudenkmal aus dem ganz frühen 20. Jahrhundert. Wir machen Rast im Café der Schiffsbegrüßungsanlage.

die Hochbrücke in Rendsburg
die Hochbrücke in Rendsburg

Ich bin bekannt als Meckerpott, in diesem Fall aber ist jede Meckerei gerechtfertigt und nicht im Mindesten untertrieben. 30 Minuten lang beachtet man uns nicht, dann nimmt doch noch ein junges Mädel mehr als gelangweilt unsere Bestellung auf. Nur Minuten später bekommen wir wortlos etwas auf den Tisch geklatscht, was man in der Karte als Schwarzwälder Kirschtorte bezeichnet, in der Realität aber auch nicht das Geringste mit einer solchen zu tun hat. Die mitgelieferten Kaffees sind zum Glück winzig, denn genießbar sind sie nur für Freunde von überlang benutztem Spülwasser.

Ich gebe gern ein Trinkgeld, auch ein ordentliches. Hier im Brückenterrassen-Café verbot sich das. Nicht ein Cent wäre angemessen gewesen. Ich kann das Brückenterrassen-Café nicht empfehlen.

Mit einem Navionics-Händler in Kiel telefoniere ich noch. Er sagt, er könne die gewünschten Karten liefern. Wir verabreden die Abholung für Mitte der nächsten Woche. Also ist klar: unser nächstes Ziel lautet Kiel.

Das Abendessen im Riverside beim Regatta-Verein-Rendsburg ist recht ordentlich, der Service des jungen Kellners mehr als vorbildlich. Hier empfinden wir uns nicht als lästig.

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