29.12.2019 | © pt
Wie ich mal richtig Geld verdiente
Den folgenden Text versendete ich in der frühen Neuzeit der elektrischen Briefe. Vor wenigen Tagen purzelte er mir beim Ausmisten von der Festplatte.
Es gibt keine Bilder auf dieser Seite. Damals dokumentierte man noch bei weitem nicht so hemmungslos. Ich schmeiß die Mail nur so mal hin...
Melle, den 16.07.2003
Liebe Tschibos,
meine Frau, ihre Kundin Cornelia Thiemt, Ku.Nr.: 92744440 durfte sich vor wenigen Tagen über die prompte Lieferung des aus Ihrem Katalog "Juli 2003" bestellten Lattenrostes freuen. Ich sage Ihnen schon jetzt: ich teile diese Freude nicht. Aber ich bin ja auch nicht Ihr Kunde.
Die zugehörige Geschichte will ich Ihnen nicht vorenthalten, denn zum Schluß meines Schreibens werde ich Ihnen mitteilen, daß ich für meine Leistungen, ohne die meine Frau wohl kaum in den Genuß eines gebrauchsfähigen Lattenrostes gekommen wäre, Euro 12,50 von Ihnen einfordere. Diese werde ich als sparsamer Mensch, der unter allen Umständen um die Vermeidung von Verwaltungsaufwand bemüht ist, von meiner Frau einziehen. Diese wiederum wird genau jene Euro 12,50 von Ihrer Rechnung 927 444 400 02 vom 10.07.2003 kürzen.
Also, meine Frau Cornelia studiert vor kurzem Ihren aktuellen Katalog, entdeckt darin angepriesen durch Foto und Beschreibung Ihren Lattenrost Bestell Nr.: 01 22 33 und findet Gefallen daran. Wenige Tage nach der Bestellung trifft besagter Lattenrost ein, ein kleines handliches Paket. Ungewöhnlich klein sogar für eine Betteinlage, die die stattlichen Abmessungen von 200 x 90 cm haben soll.
Sie ahnen was passieren wird. Richtig. "Du Schatz, kannst du mir eben den Rost zusammenbauen?" Kann man einer geliebten Frau eine Bitte abschlagen?
Zwei Tage später ist es soweit, ausreichend mental vorbereitet wird Ihr viel zu kleines Paket eröffnet. Darin finden sich nicht weniger als 149 Einzelteile, liebevoll verpackt, aber gänzlich unmontiert. Meine Frage, ob ein Lattenrost oder versehentlich ein Baukasten für die lieben Kleinen bestellt wurde, wird seitens meiner Ehefrau ignoriert. Ein Blick in Ihren Katalog gibt Aufschluß. Es handelt sich um einen Lattenrost. Von der Beteiligung des Kunden durch umfangreiche handwerkliche Tätigkeiten am fertigen Produkt allerdings kein Wort.
Wobei der wirklich findige und vom Studium verschiedenster Publikationen der Reisebranche sensibilisierte Käufer durch den Kataloghinweis: "Inkl. Montagewerkzeug" hätte skeptisch werden können. Relativiert wird die aufkommende Skepsis durch den auch im Text zu findenden Satz: "Härtegrad 5fach verstellbar". Ah ha, dafür also Montagematerial. (Wie eigentlich geht das mit der fünffachen Verstellung?)
Also, der billig und gerecht denkende Einkäufer kann nach Abwägung der vorgefundenen Katalogbeschreibung und Betrachtung des halbseitigen Fotos nicht davon ausgehen, neben Euro 79,90 auch noch ein Gutteil seiner Freizeit opfern zu müssen. Sie geben mir Recht in diesem Punkt, nicht wahr?
Die vorgefundenen Tatsachen stellen sich nach erfolgter Lieferung aber anders dar. Nämlich, siehe weiter oben, 149 Einzelteile wollen unter Zuhilfenahme des großzügig beigefügten Montagewerkzeuges zusammengefügt werden. Dieses ist schnell gefunden, besteht es doch lediglich aus einem butterweichen, dafür aber angerosteten Sechskantschlüssel. Versuche, mittels dieses Schlüssels, die neben den Innensechskantschrauben beigefügten Spaxschrauben zu verarbeiten, wurden nicht gemacht, weil der Schreiber dieser Zeilen durchschnittliches handwerkliches Geschick aufweist und insofern die Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens sofort erkennen konnte. Darüber hinaus gehört sein Haushalt zu jenen 49,376 Prozent deutscher Haushalte, die über eigenes Werkzeug und selbstverständlich auch über den notwendigen Kreuzschlitzschraubendreher verfügen. Welch ein Glück in diesem Falle.
Aber Vorstehendes nur ganz nebenbei. Zurück zum Thema. Meine Idee, das Paket, weil unmontiert, zurückgehen zu lassen, wurde verworfen: "Zuviel Wickel, nur Theater, mach das doch eben, wir bestellen da dann nie wieder was." Kurzum, schon nach kurzer Zeit wurde von meiner Seite kapituliert, das notwendige Werkzeug herbeigeschafft und trotz, wie schon erwähnt, durchschnittlicher handwerklicher Begabung exakt eineinviertel Stunden lang montiert. In dieser Zeit ist selbstverständlich das Einlegen des Rostes in den Bettkasten mit den erforderlichen Nebentätigkeiten nicht includiert. Es soll ja fair zugehen, gell?
Und für ebendiese Montagezeit möchte ich Sie mit den o.g. Euro 12,50 belasten. Eine Stunde meiner Freizeit lasse ich Ihnen für exakt 10 Euro, sicherlich nicht überteuert. Weitere Lattenroste würde ich übrigens in ca. einer halben Stunde zusammenfügen können - weil ja nun in Übung. Aber, und das ist gut so - die Anschaffung zusätzlicher Roste ist derzeit nicht geplant und würde durch mich auch nur in einem einzigen Fall goutiert werden: wenn sie nämlich montiert angeliefert würden.
Der genannte Betrag, dies sei noch ein Mal erwähnt, wurde mir von meiner Frau schon übergeben, Sie haben also keine Last mit Auszahlung und Verbuchung. Sie, meine Frau, wird das verauslagte Geld von Ihrer Rechnung einbehalten. Dies scheint uns nach Abwägung aller Möglichkeiten die preiswerteste Lösung. Sie sind unserer Meinung? Denn ich bin sicher, Sie, liebe Tschibos hätten nicht zur Montage ausrücken wollen - schon der Kosten wegen.
Noch eine Bitte! In Ihren Katalogen ist noch Platz, unterstelle ich. Für einen kleinen Hinweis, der geneigt wäre, die Kundenzufriedenheit auf die Spitze zu treiben. Dieser könnte lauten wie folgt: "Machen Sie was sinnvolles in Ihrer Freizeit. Dieser Artikel muß von Ihnen montiert werden." Sie kennen dieses skandinavische Möbelhaus? Die machen das ganz ähnlich.
Ihren Service auf die Spitze treiben könnten Sie mit der zusätzlichen Bemerkung: "Die durchschnittliche Montagezeit für diesen Artikel beträgt soundsoviel Minuten" Ihre Kunden könnten frei entscheiden, ob sie die Zeit wirklich opfern wollen und wenn ja, in sportlichen Wettstreit gegen Ihre Sollvorgabe treten.
Übrigens und das soll zu guter Letzt nicht verschwiegen werden. Ihr Lattenrost ist montiert von gar nitt so schlechter Qualität.
Mit freundlichem Gruß
Peter Thiemt
Herrenteich 112
49324 Melle
P.S.: Meine liebe Frau erwartet nun noch einen BH von Ihrer Versandorganisation. Glauben Sie mir - ich sehe dem Liefertermin und den dann womöglich auf mich zukommenden Montagetätigkeiten mit sehr gemischten Gefühlen entgegen.
Ein Nachsatz ist vonnöten:
Die Menschen in der Beschwerdeabteilung oder wo auch immer bei Tschibo bewiesen sich als vollständig humorbefreit.
Eine Antwort gab es nie - der von meiner lieben Frau getätigte Abzug wurde allerdings klaglos akzeptiert.
So geht das mit dem Geldverdienen!
Der BH übrigens kam montiert.